Sagenhaftes am Wegesrand
Kassibert am von J. Isaksen. Lesezeit: ungefähr 2 Minuten. Kommentar mailen
Von J. Isaksen
SPITZFINDIGKEITEN ZU FUNDSTÜCKEN • Mythischer Text begegnet einem nicht nur in alten Erzählungen, sondern auch auf Schildern, Schiffen und Steinen, in Großbuchstaben Großes behauptend. – Lasset uns die beiläufigen Fundstücke dieses Morgens zu Spitzfindigkeiten schmieden!
▲ So wie der Ozeandampfer »Queen Elizabeth 2« sich nicht etwa auf Elisabeth die Zweite bezieht – herrschende Monarchen gehören nicht verschifft! – so wird hier wohl kein zweites einmaliges Zauberschwert heraufbeschworen, sondern lediglich der Nachfolgekahn der »Excalibur I« benannt: die grandiose Ordnungszahl, hier ganz banal. (Köln-Mühlheim.)
▲ Die Festungen muss man feiern, wie sie fallen. Aufnahme per Selbstauslöser; Ausschnitt per dekapitierendem Selbstauslöscher. (Köln-Bayenthal.)
▲ Kunst am Bau: Gestern Abend brannte im Treibhaus Licht. (Heute Morgen: nicht.) Installation in der noblen Goethestraße zu Marienburg.
Dabei fällt mir ein: Dieser Tage las ich in Kafkas Tagebuch, dass eben dieser mit zweifelhaftem Gewinn in Goethes Tagebuch gelesen habe. (Im Eintrag danach entschuldigt er sich dann für die Abfälligkeit vom Vortag, reumütig und in aller Form; selbst der Besuch der frisch verheirateten Schwester könne die Laus nicht entschuldigen, die ihm offensichtlich über die Leber gelaufen sei.) Und wenn das hier nun mein Tagebuch ist, der öffentliche Ausläufer des geheimen, dann geht die Schachtelgeschichte mit stetig abfallender Ambition weiter: Wer liest das hier, schreibt es für sich auf – und findet unter Meidung meiner zurück zu den Großen? Übrigens notiert Kafka in sein Tagebuch zur Legitimation anderweitiger Tagebuchlektüre, in direktem Bezug zu Goethe: »Ein Mensch, der kein Tagebuch hat, ist einem Tagebuch gegenüber in einer falschen Position«. Also: nur wer selbst journalisiert, Tag für Tag, ist bei der tagebüchenen Verschachtelung mit dabei.
▲ Griechische und deutsche Küche, aus einer Hand, auf einem Tisch? Das halte ich für einen ausgemachten Mythos! (Flankiert von ganz viel Dom und Kölsch.) Bedient wird dabei die heimische Mär, dass nur derjenige, der sich eilfertig nach dem Geschmack der Teutonen richtet – also vor allen Dingen ihren wirtschaftlichen Interessen nicht in die Quere kommt – einen Platz an den Fleischtöpfen Europas hat. (Köln-Zollstock.)
▲ Pseudohomerisches Graffito: Schmal gehaltener H. Simpson ante portas (Ford-Werke, Köln-Niehl)
▲ Zum Strome hin grinst der Sensenmann. (Südstadt.)
▲ Den Karren vor die Wand gesetzt: Vor lauter Kunst* die Kurve nicht gekriegt. (Häuserwand in Ehrenfeld.)
* Kunst = kultiviertes, nein klägliches Kondensat des kapitalen Kummers
Alle Aufnahmen vom Sonntag, dem 12. April 2015, Köln.
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